Unser Konsumverständnis

Unter Konsum verstehen wir als Netzwerkmitglieder alle vor- und nachgelagerten Prozesse des Ge- und Verbrauchs von Konsumgütern und Dienstleistungen sowie das Ge- und Verbrauchen selbst. Mit vorgelagerten Prozessen sind die Bedürfnisentstehung und  die mit Konsum verbundenen mannigfaltigen Motive angesprochen, die im Kontext von strukturellen, sozioökonomischen, historischen und situativen Gegebenheiten zu verstehen sind. Mit nachgelagerten Prozessen sind die Folgen von Konsumhandlungen oder auch Nicht-Handlungen angesprochen. Diese beinhalten einerseits die sozialen Folgewirkungen für Einzelne in den Bereichen Identitätsbildung, sozialer Integration bzw. Ausgrenzung, Verschuldung, Gesundheit. Andererseits die Folgewirkungen von Konsum für soziale Nahgemeinschaften und die Gesellschaft als Ganze sowie auf die natürliche Umwelt. Mit dem Verweis auf den Ge- und Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen verweisen wir darauf, dass Konsum nicht nur Prozesse des Kaufens oder Nicht-Kaufens gegen Geld und auf Märkten beinhaltet. Vielmehr kann der Ge- und Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen weitere und ganz unterschiedliche Formen annehmen: Subsistenz- und Genossenschaftswirtschaft, „Wirtschaften“ im Haushalt, Teilen über Märkte oder in Gemeinschaften wie im Rahmen einer Sharing economy oder der Kreislaufwirtschaft. Anregungen zu einer Konsumforschung, die sich den mannigfaltigen Konsumformen, ihren sozialen Voraussetzungen und ihren sozialen und ökologischen Folgen jenseits des Markt-Kauf-Paradigmas widmet, finden sich in einigen programmatischen Schriften der Netzwerkmitglieder in der Reihe „Kritische Verbraucherforschung“ im Verlag Springer/VS.

Konsumentinnen und Konsumenten werden vielfach als mündige und zumindest durchschnittlich informierte AkteurInnen verstanden, so  z.B. in der europäischen Rechtsprechung. Ein solches Verständnis ist nicht falsch, keineswegs. Allerdings bildet es nur verkürzt die Realität ab, in der sich Konsumentinnen und Konsumenten alltäglich bewegen. Wir teilen daher neuere Konzeptionen, die genauer zwischen verletzlichen, verantwortungsvollen und vertrauenden Konsumentinnen und Konsumenten unterscheiden. Auch im deutschsprachigen Raum immer populärer werdende theoretische Strömungen, die sich z.B. aus den Behavioral Economics und den Neurowissenschaften über menschliches Verhalten ableiten, sind ebenso verkürzt. Hier werden Menschen als rein emotional agierende Subjekte dargestellt, die mittels subtiler „Stupser“ (Nudges) in die richtige Handlungsrichtung gelenkt werden können. Im europäischen (englischsprachigen) Kontext scheint sich im Feld der Konsumforschung hingegen die Theorie sozialer Praktiken als theoretische Grundlage durchzusetzen. Sie scheint sich als theoretische Grundlage gut zu eignen, um Konsumprozesse zu analysieren und versuchen zu erklären.